Nina Diercks: „Meine Herzensangelegenheit: Vereinbarkeit von Beruf und Familie!“

Dieser #neverlunchalone war virtuell. Nina Diercks wohnt in Hamburg – und ich in Köln. Trotzdem sehen wir uns regelmäßig, zum Beispiel auf der re:publica. Da können wir auch mal einen ganzen Nachmittag bei Kaffee und Kuchen vertrödeln. Ansonsten nehmen wir das Telefon – so entstand auch dieses Interview. Von Nina wollte ich wissen, wie sie ihren Alltag als Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei, Familienmutter und engagierte Bloggerin meistert. Und so ein paar Rechtssachen musste sie auch noch erklären – das kann sie nämlich fantastisch.

Nina, dein Fachgebiet ist Social Media Recht. Was reizt dich an diesem Thema?

Mhm. Was steht dazu noch in unserem Blog? „Social Media Recht ist … nicht existent. Ebenso wenig wie das Internetrecht. Doch es besteht kein rechtsfreier Raum…“ Das heißt, dass natürlich auch die unternehmerische Tätigkeit im digitalen Raum rechtliche Begrenzungen erfährt, unter anderem durch das Urheberrecht, das Wettbewerbsrecht, das Datenschutzrecht, das Äußerungsrecht und auch das Arbeitsrecht sowie einiges mehr. Es handelt sich also um eine rechtliche Querschnittsmaterie, die jedoch, wenn es um Bits & Bytes geht, immer wieder in unterschiedlichsten Konstellationen zusammenkommt. Die einzelnen Rechtsgebiete können dabei nicht singulär betrachtet werden. Und das reizt mich.

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Wenn ich zum Beispiel ein Unternehmen in Sachen „Mitarbeiter als Markenbotschafter“ berate, geht es um Fragen des Datenschutzes, der Arbeitnehmerrechte, der IT-Security, des Wettbewerbsrechts, des Urheberrechts und vieles, vieles mehr, das muss dann alles in entsprechende Richtlinien bzw. Betriebsvereinbarungen gegossen werden. Und dafür dann praxistaugliche Lösungen mit den Unternehmen zu entwickeln, bringt einfach unglaublichen Spaß.

Gleiches gilt, wenn ein Unternehmen Big Data – Lösungen mit personenbezogenen Daten entwickeln will. Hier stehe ich dann für Compliance-Prüfungen zur Verfügung. D.h. ich prüfe, ob die Geschäftsidee mit deutschem bzw. europäischen Datenschutzrecht kompatibel sein kann und/oder welche Risiken bestehen und/oder wie diese minimiert werden können. Da die Technologie hier den (deutschen) Gesetzen schon lange enteilt ist, ist es zwar nicht gerade ein Nachmittagsspaziergang Lösungen zu finden, aber gerade deswegen sehr spannend. Genauso interessant ist das digitale Agenturgeschäft. Hier müssen manche gerade auf unangenehme Weise lernen, dass das genauso so hartes Business wie jedes andere auch ist. Das heißt, es wird sich um wettbewerbsrechtliche Zulässigkeiten und/oder die Reichweite von eingeräumten Lizenzen und/oder um die Frage, ob eine Applikation jetzt auftragsgemäß fertiggestellt wurde, gestritten.

Die Branche professionalisiert sich. Und ein Kaufmanns-Ehrenwort reicht eben nicht, wenn sich hinterher keiner mehr darin erinnert, was der Wortlaut war. Anders ausgedrückt: Ich schreibe dazu lieber die Verträge, damit der Streit und Ärger (und z.T. sehr, sehr hohe Kosten!!) gar nicht erst entstehen. Aber wenn das Kind mangels solcher Dokumente bereits in den Brunnen gefallen und der Prozess unausweichlich ist, beraten wir auch hier. An der Stelle betone ich das „Wir“, weil mein Geschäftspartner, der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht Stephan Dirks (Obacht! Andere Schreibweise, weder verheiratet, verwandt noch verschwägert ;-) ) ein ausgebuffter Prozess-Fuchs ist, der seine wahre Freude darin findet, die richtige Prozess-Strategie- und -Taktik für unsere Mandanten auszutüfteln. Wir ergänzen uns hier perfekt, da ich lieber die (gutachterliche) Beratung und Vertragsgestaltung übernehme und mein Geschäftspartner wesentlich lieber die Prozessakten vor der Nase hat. Beides ist aber für eine umfassende juristische Begleitung des Mandanten unabdingbar.

Ach, ich könnte jetzt noch stundenlang darüber schreiben, warum und wieso das Thema „Digital-Recht“ so spannend ist. Natürlich auch, weil sich stetig alles ändert. Weil man neue juristische Lösungen für neue tatsächliche Sachverhalte finden muss. Weil selbst eine vermeintlich einfache „Datenschutzerklärung“ kaum der nächsten gleicht. Aber… ach, ich fürchte, die Leserschaft teilt meine Begeisterung für juristische Problemstellungen gar nicht und ist unter Umständen an dieser Stelle schon leicht erschöpft. ;-) Also, auch wenn ich hier noch stundenlang über spannende Fallgruppen reden könnte, belassen wir es vielleicht besser an dieser Stelle, bevor der eine oder andere noch wegklickt…

Du hast ja Deinen Blog eben schon erwähnt. Wie kamst Du zum Bloggen? Für Anwälte ist das ja immer noch recht ungewöhnlich.

Ich komme aus der Hamburger Medienbranche. Ich hab während meines Studiums und zur Überbrückung der Wartezeit auf das Referendariat unter anderem bei Gruner + Jahr, dem Bauer Verlag und der EIDOS GmbH (ein damals sehr erfolgreicher Computerspiele-Publisher) in den Bereichen Marketing und PR gearbeitet. Dabei stellte ich fest, dass sich Juristen und „Medienmenschen“ nicht so recht verstehen. Die Juristen wurden (und werden manchmal immer noch) als die „Verhinderer“ betrachtet.

Das sind – vermeintlich – die, die das Projekt sowieso gleich im Keim ersticken und dafür auch noch viel Geld wollen, deswegen fragt man da besser gar nicht erst. Verstanden habe ich das nie. Ein Anwalt ist dafür da (okay, sollte dafür da sein…) eine praktikable und rechtssichere Lösung und zwar gemeinsam mit der Projektleitung zu finden. Es macht wenig Sinn ein Digital-Projekt auf die Beine zu stellen und am Ende aller Tage (und Entwicklungskosten) festzustellen bzw. schlimmstenfalls durch einen Mitbewerber oder das Gericht feststellen zulassen, dass das so nicht geht. Anders ausgedrückt: Es kommt doch auch keiner auf die Idee, eine Applikation zu entwickeln und erst nach Vollendung der Designs und des Marketing-Konzepts mal einen IT-Entwickler zu fragen, ob das überhaupt machbar ist.

Die Idee hinter dem Blog war und ist, dass ich die Angst vor dem Recht nehmen und das Recht auch dem juristischen Laien verständlich machen möchte. Angefangen hat das Ganze vor fünf Jahren (*schluck, wo ist die Zeit geblieben?!). Und seit nun guten 2,5 Jahren bereichert mein Geschäftspartner Stephan Dirks den Blog auch mit seinen Beiträgen. Diese Übersetzungsarbeit „Medienrecht für Laien“ gelingt uns ganz gut, so munkelt man. Wer mag, kann ja einfach mal selber einen Blick in den Blog werfen.

Du selbst bist ja sehr offen im Netz und zeigst auch viel Privates von dir…

Arbeiten im Garten-Office Bild: Nina Diercks
Arbeiten im Garten-Office Bild: Nina Diercks

Das tue ich eigentlich nicht. Das denkst Du vielleicht, weil Du zu meinen „engen Freunden“ auf Facebook gehörst und damit mehr siehst als andere. ;-) Okay, im Ernst. Das stimmt zwar, dass Du mehr siehst als andere, aber Du meinst wahrscheinlich, dass ich auch mal im weiteren „Freundeskreis“ ein paar Urlaubsbilder poste oder mal ein Weinetikett? Joa. Das würde ich aber nicht als „viel Privates“ bezeichnen. Dass ich in den Bergen oder an der Mecklenburger Seenplatte Urlaub mache und Weine von guten deutschen Winzern schätze, ist jetzt kein so großes Geheimnis. Und ich freue mich auch immer über schöne Urlaubsbilder von anderen. ;-). Ein Geheimnis sind hingegen meine Kinder. Von Ihnen gibt es keine Bilder, in der Regel keine Geschichten und keine Namen. Sie sollen später selbst entscheiden können, ob und wenn ja wie sie sich in sozialen Netzen zeigen wollen.

Daneben gibt es noch eine Herzensangelegenheit, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Für alle. Ohne Dogma. Das wäre zu schön. Darüber schreibe ich dann und wann, wenn ich die Zeit finde. Und ja, wer meine Texte zu diesem Thema liest, der sieht viel meiner Person und meiner Persönlichkeit. Aber das ist okay. Mir ist das Thema so wichtig, dass ich gerne mit meiner Person und meinen persönlichen Geschichten dafür einstehe.

Du hast es schon selbst angesprochen, Dein Herzensthema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“. Wie ist es dir selbst damit ergangen?

Wohl wie so vielen…. Mit viel Enthusiasmus und viel „Wir-leben-im-21. Jahrhundert-das-kann-ja-wohl-kein-Problem-mehr-sein!“ bin ich nach dem 2. Staatsexamen ins Berufsleben gestartet. Zu dem Zeitpunkt war meine Tochter, die ich mitten im Referendariat bekam, knapp drei Jahre alt. Und was soll ich sagen? Es war grauenvoll. Überall die gleichen Fragen „Wie machen Sie das mit Ihrer Tochter?“, „Sie wollen Vollzeit arbeiten!?!“, „Anwältin!? Wie stellen Sie sich das denn vor als Frau und Mutter?!“.

Lange Rede kurzer Sinn: Ich hab schließlich eine Anstellung als Anwältin gefunden, aber ich musste dort so beschränkt und unflexibel arbeiten, dass ich schnell wieder weg war. Ich fragte mich nämlich ernsthaft, warum ich einen sogenannten „freien Beruf“ ergriff habe, wenn es doch nur einerseits ein „nach Stechuhr“ Arbeiten war (also früher zu gehen war nicht drin, aus Prinzip! Könnte ja jeder kommen!). Und andererseits Mehrarbeit im Sinne der Kanzlei auch nicht honoriert wurde. Wirkliche Alternativen hab ich in der Branche nicht gefunden. Und da hab ich mir dann eben meinen Arbeitsplatz selbst gebaut, um Familie und Beruf vereinbaren zu können.

Diese wirklich unschönen Erfahrungen, die für mich persönlich ein Happy End haben, haben mich dazu gebracht, öffentlich für dieses Thema einzustehen. Vor allem möchte ich dabei aber auch anderen Frauen Mut machen, Mut zu Kindern und Karriere. Wer mag, kann ja meine bisherigen Texte, inklusive der persönlichen Einblicke ;-) , dazu lesen: „Kinder, Karriere, Leben – Ein Plädoyer gegen die Angst“, „Als Frau sind Sie ein Risiko für uns“ und Ihr wollt Kinder? Dann bekommt sie doch einfach. Und: Hört auf zu jammern! — Ein Rant.

Daneben (Juhu!, ich darf Spoilern ;-) ) freue ich mich sehr, Teil des Buches „Kind + Karriere = Konflikt? – Denkanstöße für eine deutsche Debatte“ sein zu dürfen. Geschrieben wurde es von der bekannten ZEIT-Journalistin und Autorin Tina Groll, welche mich für das Buch interviewt hat. Es wird im Herbst erscheinen. (Also, alle schon mal fleißig vormerken).

Denkst du, ein erfülltes Familienleben und Karriere lassen sich wirklich vereinbaren? Ich rede jetzt nicht von Eltern, die Nannys beschäftigen können.

Ja. Die Frage ist, was man bzw. frau unter Karriere versteht und wie sich die Familie als Ganzes davor und dahinter stellt. Denn was ein „erfülltes Familienleben“ und was eine „Karriere“ ist, das kann nur jeder für sich selbst, zusammen mit der eigenen Familie entscheiden. Für die eine ist ein erfülltes Familienleben nur denkbar, wenn sie zu Hause bleibt, um 12.00 Uhr das Mittagessen fertig ist und am Nachmittag Aktivitäten für den Sport- bzw. Schulverein absolviert werden. Und ihr genügt die Vorstellung, in ein paar Jahren vielleicht wieder ein bisschen in irgendeinem Büro zuzuarbeiten. Die andere sieht ihr Familienleben nur erfüllt, wenn ihr Berufsleben prall ausgefüllt ist und der Karrierezug gen Vorstand läuft. Diese Frau wird 70-Stunden-Wochen und entweder einen Partner oder die besagte Nanny zu Hause haben.

Für die meisten wird es ein „irgendwo dazwischen“ sein. Sie möchten einen Job, der ihnen Freude bereitet, der ihren Qualifikationen entspricht. Und sie möchten die Kinder nicht nur eine Minute vorm Schlafengehen auf irgendeinem Tablet sehen. Dieses „dazwischen“ ist aber oft gar nicht so einfach. Der Mann verdient schließlich mehr, also bleib sie „erstmal“ zu Hause. Aus erstmal wird lange und damit der Satz „Es hat sich so ergeben“. Oder der Arbeitgeber zieht partout nicht mit, es gibt keinen anderen vor Ort und die Familie kann auch nicht einfach umziehen. Trotzdem glaube ich fest an den Satz „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!“. Und dann klappt es auch mit der ganz persönlichen Vereinbarkeit.

Was wünscht du dir von der Politik und unserer Gesellschaft?

Von der Politik gar nicht mal so viel. Da ist schon eine Menge auf dem richtigen Weg. Die Möglichkeit der 32-Stunden-Woche wäre noch wirklich eine Errungenschaft. Vor allem auch, weil damit der Impuls gesetzt würde, dass Kinder endlich wieder als ein „normaler“ Teil unser Gesellschaft begriffen würden. Derzeit ist es einfach so, dass es immer noch nicht „normal“ ist, als Arbeitnehmer ein Kind zu haben. Man ist Arbeitnehmer ohne Kind. Und kommen Kinder ins Spiel, ist es überwiegend immer noch wie folgt „Ach, der Vater – das ist ja toll, dass Du Niklas auch mal von der Kita abholst!“ und „Ach, die Mutter! Die muss schon wieder das Kind aus der Kita holen!“. Sprich, der Vater bleibt Arbeitnehmer. Die Mutter wird Mutter.

Aber um an diesem Zustand etwas zu ändern, dazu brauchen wir (nicht) nur die Politik, sondern vor allem auch die Gesellschaft. Und die Gesellschaft sind wir. Jeder Einzelne.

Und jetzt mal zu den Frauen. Ich erlebe dich als tough und zielstrebig. Du bist erfolgreiche Anwältin. Was würdest du anderen Frauen empfehlen, wenn sie Erfolg haben wollen?

Ach, das ist schwierig. Es ist ja jeder so unterschiedlich, dass es das eine Geheimnis nicht gibt. Viele Wege führen nach Rom. Oder zum Erfolg. Aber ich glaube die nachfolgenden drei Sätze gelten grundlegend und immer:

  1. Wer sich keinen Plan macht, weiß nicht, wo er hin will.
  2. Wer nicht losläuft, wird nicht ankommen.
  3. Wir kochen alle nur mit Wasser.

Okay. Es gibt noch einen vierten:

4. Es hat keiner gesagt, es gäbe keine Umwege! ;-)

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