Die Gründung – und der erste Mitarbeiter

Nach der Gründung eines Unternehmens merkt der Gründer oftmals schnell, dass sich ein gutes Produkt oder eine innovative Dienstleistung nicht (von) allein verkauft. Es gibt viel mehr zu tun, als er es sich anfangs auch nur im Ansatz hat ausmalen können. Dies beginnt schon damit, dass der ganze zu erledigende „Papierkram“ meist zeitintensiver ist als angenommen. Vor allem aber verläuft häufig nicht alles so reibungslos wie es der Businessplan vorsieht.

Da hat der Kunde zahlreiche Änderungswünsche bei der Kampagne, obwohl die Konzeption schon lange feststand (– hier noch ein paar Tipps zu Agenturverträgen –). Oder die Stoffe, die zur Produktion geliefert werden sollen, kommen einfach nicht rechtzeitig an. Dass es nicht so läuft wie im Businessplan vorgesehen, kann aber auch heißen, dass man viel erfolgreicher ist, als angenommen.
An dieser Stelle kommt dann natürlich der Gedanke auf, sich Unterstützung zu holen. Aber wie genau soll das gehen? Denn zumeist ist anfangs zwar viel Arbeit, aber nicht unbedingt genug Geld vorhanden, um den Supermitarbeiter unbefristet mit Boni und Dienstwagen einstellen zu können. Warum freie Mitarbeiter aber unter Umständen nicht besser sind als die Anstellung von Mitarbeitern, sei nachfolgend einmal dargestellt.

Freie Mitarbeit oder Festanstellung?

Auf den ersten Blick erscheint es für Gründer oft attraktiv, sich freier Mitarbeiter zu bedienen. Schließlich sind freie Mitarbeiter Selbständige, und infolgedessen spart sich der Gründer Sozialversicherungsbeiträge und muss auch niemanden kündigen, sondern kann diese bei Bedarf auf Rechnung für sich arbeiten lassen. Dem lästigen angestellten Arbeitnehmer muss der Gründer hingegen unter anderem sogar bezahlten Urlaub gewähren und ihm auch im Krankheitsfall seinen Lohn zahlen.

Allerdings ist es so, dass der Gründer nicht einfach vertraglich (z.B. durch die Bezeichnung „Vertrag über freie Mitarbeit“) festlegen kann, wer denn nun ein freier Mitarbeiter, und wer ein angestellter Arbeitnehmer ist, es kommt rechtlich nur auf den tatsächlichen Status der betreffenden Person an. Ist der Mitarbeiter also auf dem Papier selbstständig, tatsächlich jedoch nicht, spricht man von der „Scheinselbständigkeit“. Viele Gründer wissen nicht, dass die Beschäftigung von Scheinselbständigen für sie selbst hoch problematisch ist. Unter welchen Umständen eine solche Scheinselbstständigkeit angenommen werden kann und welche Konsequenzen dies haben kann, wird nachfolgend erörtert.

Wann liegt eine „Scheinselbstständigkeit“ vor?

Früher waren im Gesetz einige Merkmale aufgeführt, bei deren Vorliegen zu vermuten war, dass eine Scheinselbständigkeit, also tatsächlich eine abhängige Beschäftigung vorlag. Diese Vermutung konnte widerlegt werden. Heute besteht keine gesetzliche Vermutung hinsichtlich des Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses mehr. Nun steht in § 7 Abs. 1 SGB IV nur noch, dass Tätigkeiten nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers Anhaltspunkte für eine mangelnde Selbständigkeit sind.

Das bedeutet, prüft etwa ein Gericht oder die Deutsche Rentenversicherung, ob eine selbständige Tätigkeit vorliegt, dass schlicht in einer Gesamtschau ermittelt wird, ob mehr Anhaltspunkte für oder gegen eine selbständige- bzw. nicht selbständige Tätigkeit sprechen.

Typisch für eine Scheinselbstständigkeit ist beispielsweise eine persönliche Abhängigkeit, also wenn die vom Gründer beauftragte Person nahezu ausschließlich für diesen tätig wird. Ein weiterer wesentlicher Punkt, der für eine nichtselbstständige Tätigkeit spricht, ist die Weisungsgebundenheit in Bezug auf Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit. Wer also beispielsweise regelmäßig 35 Stunden pro Woche für den Unternehmensgründer in deren Büro zu festen Zeiten vorgegebene Aufgaben erfüllen muss, ist wohl als nichtselbständig Beschäftigter anzusehen. Anders wäre es etwa, wenn der Betreffende zuhause oder in seinem eigenen Büro arbeiten und die an ihn übertragenen Aufgaben innerhalb eines grob festgelegten Zeitrahmens erfüllen kann und zudem auch noch für einige andere Auftraggeber tätig ist.

Ist das nicht alles ein Problem des „Scheinselbständigen“?

Diese Ansicht zu vertreten wäre zwar nicht ganz abwegig, denn schließlich hat die betreffende Person sich ja „auf die Sache eingelassen“. Das ist aber nur teilweise richtig. Wesentlich gravierender stellt sich die Angelegenheit in der Regel für den Unternehmensgründer dar, denn hier geht es um die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeträgen, eventuell sogar um Sozialversicherungsbetrug sowie um arbeitsrechtliche und steuerrechtliche Verstöße.

Stellt etwa die Deutsche Rentenversicherung in einem Statusfeststellungsverfahren (in diesem wird überprüft, ob eine Versicherungspflicht besteht oder nicht) fest, dass hinsichtlich eines Mitarbeiters eine Scheinselbständigkeit und damit eine Versicherungspflicht vorliegt, oder stellt sich dies im Rahmen einer Betriebsprüfung heraus, müssen die Sozialversicherungsbeträge für die Vergangenheit, soweit sie nicht verjährt sind, nachgezahlt werden. Sie verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind, bei Vorsatz verjähren die Ansprüche sogar erst nach 30 Jahren. Zudem macht sich der Gründer/ Auftraggeber unter Umständen strafbar nach § 266a StGB, weil er Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung vorenthalten hat. Wer also glaubt, das Ganze wäre ein Kavaliersdelikt, verkennt den Ernst der Lage.

Abgesehen vom sozialversicherungsrechtlichen Aspekt kann dem Gründer aber auch das Arbeitsrecht einen Strich durch die Rechnung machen. Teilt der Unternehmer dem „Freien“ etwa nach mehreren Jahren (mündlich) mit, dass seine Dienste nicht mehr benötigt werden, könnte dieser auf die Idee kommen, vom Arbeitsgericht feststellen zu lassen, dass es sich hier tatsächlich um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hat und die „Kündigung“ unwirksam war, so dass ein Weiterbeschäftigungsanspruch besteht. Teilt das Gericht die Ansicht, dass in Wahrheit ein Arbeitsverhältnis vorliegt, liegt eine Kündigung schon deswegen nicht vor, weil diese nicht schriftlich erfolgte. Der Arbeitnehmer ist damit weiter zu beschäftigen, mit einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub und ggf. bestehendem Kündigungsschutz. Zudem hat der nunmehrige Arbeitgeber nun sozialversicherungsrechtliche Beiträge und Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen.

Und damit kommen wir zum letzten Punkt, der eben genannten Lohnsteuer. Hier verhält es sich wie folgt: Steuerschuldner ist zwar der (jetzige) Arbeitnehmer. Da jedoch der Arbeitgeber dafür haftet, dass die Lohnsteuer einbehalten und abgeführt wird, haften beide letztlich als Gesamtschuldner, d.h. das Finanzamt könnte auch den Arbeitgeber für die Nachzahlung der Lohnsteuer in Anspruch nehmen.
Summa summarum – der Gründer hat wohl mehr zu verlieren in dieser Angelegenheit als der sog. „Scheinselbständige“.

Ganz ehrlich – wer will sich denn freiwillig mit sowas auseinandersetzen?!

Natürlich macht es keinen Spaß, sich mit solch bürokratischen Themen auseinanderzusetzen. Und so mancher Unternehmer wird sich wahrscheinlich denken, dass seine kostbare Zeit doch besser in das „richtige Geschäft“ wie zum Beispiel in die Auftragsakquisition investiert werden sollte.

Diese Einstellung kann aber, wie oben in groben Zügen geschildert, erhebliche finanzielle bis strafrechtliche Konsequenzen haben. Wer sich jedoch nicht selbst mit dem Thema beschäftigen möchte, zumal er sich womöglich insoweit auch rechtlich nicht so gut auskennt, kann sich an die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung wenden. Diese prüft unter anderem kostenfrei, ob in dem individuellen Fall eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht besteht oder nicht.

Hat sich daher ein Unternehmer entschieden, keine Angestellten beschäftigen zu wollen, sondern stattdessen erst einmal auf „Freie“ zu setzen, kann er beispielsweise von einem freien Mitarbeiter (mittels einer vertraglichen Vereinbarung) verlangen, dass er einen „Clearing“-Bescheid vorlegt, der besagt, dass er so, wie er für den Unternehmer tätig werden soll, von der Sozialversicherungspflicht befreit ist.

Die Entscheidung der Clearingstelle ist dann für alle Träger der gesetzlichen Sozialversicherung bindend. Steuerrechtlich kann sich der Gründer Klarheit über eine Anrufungsauskunft beim Finanzamt verschaffen.

Wer diesen Weg nicht gehen möchte, kann sich aber (möglichst im Vorfeld) auch anwaltlich beraten lassen. Denn von der Clearingstelle mitgeteilt zu bekommen, dass der Freie nun doch ein nichtselbständig Beschäftigter ist, hilft ja manchmal auch nicht wirklich weiter. (Natürlich kann man gegen deren Beschluss auch noch Widerspruch einlegen und ggf. auch klagen). Denn es gibt diverse Möglichkeiten, die vorhandene Arbeit zu verteilen, wie etwa auf „richtige“ freie Mitarbeiter, studentische Aushilfen, Teilzeitkräfte oder befristet angestellte Mitarbeiter, um nur ein paar davon zu nennen.

Aber dazu eventuell beim nächsten Mal mehr. Bis dahin erst einmal frohes Schaffen ;-)

Der Text ist ein Gastbeitrag der Rechtsanwältin Hannah Deußen aus der Kanzlei Dirks & Diercks Rechtsanwälte.

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