Der Untergang des Abendlandes oder: Wie wär´s denn mal mit Gendern?!

Vor ein paar Tagen im ZDF: Die von Maria Furtwängler initiierte Studie zu „Audiovisueller Diversität“ hatte gezeigt, was viele schon ahnten: Frauen sind sowohl vor wie hinter der Kamera unterrepräsentiert – und je älter sie werden, umso weniger finden sie statt. So weit, so ungut.

[Dieser Beitrag erschien bereits am 26.7.2017 in BILANZ. Besonders interessant hier ist die große Anzahl an Kommentaren – anscheinend steht doch der Untergang des Abendlandes bevor, wenn es man einfach mal versucht, Sprache gerechter zu gestalten. Für Business Ladys wurde er überarbeitet und ergänzt, vor allem durch die Hinweise in der sachlichen Diskussion unter dem Facebook-Post.]

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Natürlich gingen diese Ergebnisse durch die Medien, so ist das Spiel und schließlich wurde Maria Furtwängler von Claus Kleber im heute journal interviewt. In seiner Rolle als Moderator fragte Claus Kleber kritisch nach. Muss er ja. Seine Fragen offenbarten allerdings – nun ja – ein bedrohliches Szenario: Ob denn aus der Studie der Schluss gezogen werden müsse, dass jetzt alles zu gendern sei? Ob es denn nicht einfach der Publikumsgeschmack sei, mehr Männer und weniger Frauen, vor allem weniger alte Frauen (also Frauen über 30!) sehen zu wollen. Und Männer in aktiven Rollen und Frauen als Randfiguren zu zeigen?

Das kann man so sehen.

Muss man aber nicht.

Wie wäre es denn, statt den Untergang des Abendlandes zu befürchten, es einfach mal zu versuchen? Es ist ja auch jetzt nicht so schlimm, meistens die andere Hälfte der Gesellschaft sprachlich auszuschließen. Also dürfte es ja andersherum auch kein Problem bereiten.

Diese Diskussion wurde bereits in den 80er Jahren von der Linguistin Luise F. Pusch angestoßen, die die deutsche Sprache auf Geschlechtergerechtigkeit hin untersucht hat. In ihren Büchern, Artikeln, Beiträgen wies sie nach, dass Sprache eben nicht neutral ist – und Frauen nicht gleich mitgemeint sind, nur weil bequemerweise das generische Maskulinum verwendet wird. In ihrem Buch „Das Deutsche als Männersprache. Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik“ untersucht sie auch einzelne Begriffe und belegt deren Problematik bei der Verwendung. Gleichzeitig zeigt sie auf, dass es nicht DIE Lösung gibt und dass es nicht unbedingt leicht ist. Aber, wie ich weiter unten schreibe, einen Versuch ist es allemal wert. 

Ich fange einfach mal an:

Liebe Leserinnen,

aus Gründen der Einheitlichkeit und besseren Lesbarkeit haben wir uns entschlossen, ab heute in der Bundesrepublik Deutschland das generische Femininum zu verwenden. Damit möchten wir keinen ausschließen oder benachteiligen, stattdessen sind selbstverständlich Männer ebenso mitgemeint.

In Sachbüchern wird von Unternehmerinnen, Mitarbeiterinnen, Bewerberinnen, Gesprächspartnerinnen und Probandinnen gesprochen. Fühlen Sie sich bitte immer mitgemeint, liebe Leser.

In Zeitungen, Zeitschriften, Büchern, in Webmagazinen, überall werden wir von nun an die weibliche Form verwenden, ebenso natürlich in staatlichen Institutionen wie an Hochschulen, Schulen, Instituten, Ministerien.

Wenn zu Veranstaltungen und Konferenzen eingeladen wird, sprechen wir von Expertinnen, Speakerinnen, Referentinnen und laden diese herzlich dazu ein, sich beim „Call for Paper“ zu bewerben. Unternehmen ändern die Ansprache auf ihren Websites, vor allem im Karrierebereich von männlich zu weiblich. Stellenanzeigen werden radikal mit der weiblichen Berufsbezeichnung veröffentlicht, dahinter immer ein (m/w) gesetzt, denn die Männer sind ja mitgemeint.

Was meinen Sie? Liest sich komisch. Radikal gar?

Vielleicht.

Ich stelle mir aber zunehmend die Frage: Warum eigentlich nicht?

Es gibt ein paar handfeste Gründe dagegen:

  • Gewöhnung. Wir sind an diese Sprache gewöhnt. Es liest sich tatsächlich leichter runter, wenn das generische Maskulinum verwendet wird.
  • Sprache. Das generische Maskulinum meint tatsächlich Frauen wie Männer gleichzeitig, während das beim generischen Femininum schon aus sprachwissenschaftlicher Sicht nicht so ist. Es ist eine moderne Kunstform.
  • Sichtbarkeit. Wenn Sie sich zum Beispiel mit digitaler Sichtbarkeit beschäftigen, zeigt sich folgendes: Bei einer Untersuchung zu den Google-Suchworten „Studierende“ und „Studenten“ ist die Tendenz eindeutig: Wenn ich als Unternehmen von Studentinnen gefunden werden möchte, muss ich den Begriff „Studenten“ verwenden. Das wird bei anderen Begriffen nicht anders sein. Und Xing hatte erst vor einiger Zeit bewiesen, dass weibliche Endungen in den Ergebnislisten gar nicht auftauchen.
  • Gerechtigkeit. Es ist einfach nicht gerecht, nur das eine Geschlecht anzusprechen. Und auch wenn immer betont wird, dass es ja mitgemeint ist, lernen kleine Jungen erst einmal, dass es Mechanikerinnen, Fußballspielerinnen, Bundespräsidentinnen gibt, Bundeskanzler dagegen kommen gar nicht vor.

Absurd, oder?

Nur, mit dieser Wirklichkeit sind Frauen jeden Tag konfrontiert. Die meisten von uns schaffen jeden Tag mühelos Übersetzungsleistungen. Wir lesen Bücher, in denen die männliche Form gewählt wird und dass das nur der besseren Lesbarkeit diene. Nach dieser Einleitung kommen keine weiblichen Bezeichnungen mehr vor. Das gleiche Bild in der Ansprache für Konferenzen, Stellenanzeigen, Ausschreibungen.

In einem Kommentar bei Facebook führte eine Leserin an, Arbeitgeber hätten gar keine Zeit, sich um Sprache in Stellenanzeigen zu kümmern. Jede kluge Frau wüsste sowieso, dass sie mitgemeint sei, wenn die männliche Ansprache verwendet würde. Für erfolgreiche Frauen sei es geradezu eine Beleidigung, wenn sie jetzt quasi extra angesprochen würden, so der Tenor in weiteren Kommentaren.

Nun, dem Argument mit den Stellenanzeigen widerspreche ich gern. Meiner Meinung nach können es sich Arbeitgeber gar nicht mehr leisten, nicht über solche Fragen nachzudenken. Wenn ich als Unternehmerin auf der Suche nach Fachkräften bin, zum Beispiel Ingenieurinnen und Informatikern, dann muss ich mir heute sehr wohl Gedanken machen, wie ich diese anspreche. Sonst kommen die nämlich nicht zu mir, sondern gehen vielleicht zur Konkurrenz. Die Ansprache auf Websites und in Anzeigen ist dabei nur ein Aspekt, das ist klar. Es spielen noch ganz viele andere Faktoren eine Rolle. Wenn ich mich aber mal in Ayse oder Katharina hineinversetze, für die als Informatikerinnen andere Dinge zählen als für ihre männlichen Kollegen, dann sollte ich sehr wohl darüber nachdenken, wie ich beide auch einladen kann, sich lieber bei mir zu bewerben als anderswo.

Und was die erfolgreichen Frauen anbelangt: Klar, es gab immer schon Frauen, die sich auch zu ganz anderen Zeiten durchgesetzt haben und ihren Weg gegangen sind. Aber irgendwie wäre es doch auch schön, wenn es für alle Frauen selbstverständlicher wäre, Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten zu erlangen. Wenn Sprache dazu beitragen kann, warum nicht?

Wenn wir kluge Eltern hatten, lernten wir, dass wir alles werden könnten, auch Astronautinnen, Soldatinnen (Ach, ist ja noch gar nicht so lange her, dass das geht – seit 2001 genau genommen.), Pilotinnen (auch nicht – seit 1988), Aktionärinnen. Auch Nachrichtensprecherinnen (Die gehen mussten, wenn sie zu alten wurden). Als wir älter wurden und selbst Kinder bekamen, lernten wir, dass diese es im Kinderfernsehen – privat wie öffentlich-rechtlich – vor allem bei Wissenssendungen mit männlichen Moderatoren zu tun haben.

Männer erklären die Welt, und Frauen werden Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen

Und dann wird unsere kleine, festgefügte Welt auf den Kopf gestellt: Da dominiert eine Ellen Ripley in der Alien-Reihe. Da kämpft die wunderbare Rey im Star Wars-Universum und Prinzessin Leia Organa gibt auch als alte Kämpferin eine fantastische Vorstellung. „Orange is the new black“ wird auch deshalb so erfolgreich, weil es alle Erwartungen – unerfüllt lässt.

Das widerlegt dann auch den Einwand von Claus Kleber: Alle Vorhersagen, was das Publikum mag, richten sich im Grunde in die Vergangenheit. Wir Menschen sind da etwas doof, wir schätzen das, was wir kennen. Aber wenn wir dann überrascht werden, sind wir begeistert! Und Sendungen und Filme entwickeln sich zum Erfolg, mit denen kein Mensch gerechnet hätte.

Was tun!

Aber was?

Mein Vorschlag:

  • Probieren Sie es doch einfach mal aus! Wenn Sie eine Rede halten, einen Text schreiben, verwenden Sie konsequent die weibliche Form. Fühlt sich seltsam an, oder? Okay, dann ist vielleicht das hier besser:
  • Wechseln Sie das Geschlecht! Nicht Sie persönlich. Benutzen Sie einfach männliche und weibliche Bezeichnungen, versuchen Sie dabei, auch gegen den Strich zu bezeichnen: Dann gibt es die Chefin und den Assistenten. Die Mitarbeiterin und den Auszubildenden. Ingenieurinnen und Personalmitarbeiter. Das braucht ein bisschen Übung, ich weiß. Ich mache das seit Jahren so in meinen Texten, Büchern, in Reden und bei Workshops.
  • Sprechen Sie es an! Es mag ja sein, dass bei Google mehr nach „Studenten“ gesucht wird, aber wenn Studentinnen dann zu Ihnen kommen, könnten Sie diese zumindest mit einer diversen Bildsprache ansprechen. Und auch in Stellenanzeigen lassen sich weibliche Begriffe verwenden, ohne gleich das Google-Ranking zu zerstören.

Welche Möglichkeiten es gibt, zeigt eine Kommentatorin bei Facebook auf: „Bei meinem Arbeitgeber, einer außeruniversitären Forschungseinrichtung, haben wir angefangen, interne Regelungen (Betriebsvereinbarungen etc.) abwechselnd in der rein männlichen und der rein weiblichen Form zu schreiben, jeweils mit dem Hinweis, dass das andere Geschlecht mitgemeint ist. Nach einer kurzen Gewöhnungsphase funktioniert das gut und erspart Binnen-Is oder anderes Gendern.“

Ja, es hat sich eine ganze Menge bewegt, seitdem ich in den 70er-Jahren von meiner feministischen Mutter erzogen wurde (die sich übrigens nie so bezeichnen würde, das hat sie mit Angela Merkel gemeinsam): Wir haben eine Bundeskanzlerin.
Und dass (Vor-)Bilder viel bewirken können, zeigt dieser Satz eines kleinen Jungen:

„Mama, kann es eigentlich auch einen Bundeskanzler geben?“ 

Bild: go2/photocase.de

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